Im Folgenden ein weiteres Schreiben einer Angehörigen eines Gefangenen aus dem Knast in Moabit. Bei dem letzten handelte es sich um die Mutter des Gefangenen, an dieser Stelle möchte die Freundin zu Wort kommen.
„Es hat einen Tag gedauert, bis ich erfahren hatte, was an jenem Nachmittag passiert war. Ein kleines Foto einer Webseite, die davon berichtet hat, war alles was ich als Info bekommen hatte. Die Welt um mich herum fing an zu drehen und ich musste mich hinsetzen, um nicht hinzufallen. Mehr Auskunft von den Eltern meines Freundes habe ich nicht bekommen, ich musste also selbst recherchieren.
Ein grosser Schock, Wut und Trauer standen mir auf dem Gesicht geschrieben, für mich gabs Feierabend, ich konnte an dem Tag nicht mehr arbeiten. Zuhause angekommen, hatte ich erstmal gefühlte 20 L Tränen gegossen. Mit voll gemischten Gefühlen ging ich auch endlich ins Bett. Ich war wütend, wegen allem, was ich im Internet darüber gelesen hatte. Ich war unendlich traurig, weil mein geliebter Freund in U-Haft sitzt und wahrscheinlich nicht so schnell rauskommt.
Mein Freund hat mich erst 2 Tage nach dem Geschehen kontaktiert. Das Telefonat hat uns nicht viel gebracht, wir hatten nur geweint. Am nächsten Tag rief er wieder an, wir konnten etwas vernünftiger miteinander reden. Er hat erzählt, was passiert sei. Ich habe nur zugehört und geweint.
Es hat nicht lange gedauert, bis ich mich krank schreiben ließ. Ich war nicht fähig um zu arbeiten. Mir lief der Boden von den Füssen weg, ich wusste nicht, wie es weiter gehen soll… Ich habe mich Zuhause abgesperrt, um den Kummer zu überwinden. Geholfen hat es kaum. Man hat aufgehört zu funktionieren, wie ein normaler Mensch. Das Aufstehen morgens und etwas essen tagsüber sprach für mich keine Rolle mehr. Man verbringt den ganzen Tag im Bett und bettelt innerlich, dass der unendliche Schmerz endlich mal aufhört.
Man schläft die Nächte nicht durch und weint oft. Manchmal die ganzen Tagen lang.
Wir versuchen mit meinem Freund ( natürlich nur telefonisch) uns gegenseitig zu trösten und aufzubauen, wenn der schlechte Tag einen von uns mal wieder erwischt.
Es ist momentan sehr schwer mit der Außenwelt zu kommunizieren (Freunde, Familie, oder einfach nur mit dem Postbote). Für sie alle geht das Leben weiter und du gibst dir Mühe, die zerbrochenen Teile dir selbst wieder in ein Stück zurückzubekommen.
Schlaflose Nächte und viel Trauer begleiten mich bis heute noch- 2,5 Monate nach dem Geschehen. Das Leben wird natürlich nie wieder so sein, wie es früher mal war. Etwas ist in uns allen gebrochen.“
Zeigt den Angehörigen und den Gefangenen, dass sie nicht alleine sind! Solidarische Briefe können an uns geschickt werden, wir werden sie den Angehörigen und dem Gefangenen weiterleiten. Drückt eure Wut und euren Hass gegenüber Knästen und dem Staat auch auf vielen anderen Wegen aus. Wenn wir, Gefangene, Ex-Gefangene, Angehörige, Aktivist*innen und alle Feind*innen des Staates gemeinsam kämpfen, können wir mehr erreichen, als vereinzelnd.