Ibi hatte sich entschlossen, eine Geldstrafe wegen eines blockierten Uranzuges im Knast abzusitzen. Wie alle Neuzugänge in Schleswig Holstein musste sie 2 Wochen in Quarantäne. Der folgende Text von ihr stammt aus dieser Zeit, weshalb sie vor allem den Umgang des Knastes mit dem Virus beschreibt aber auch darauf eingeht, was es bedeutet, 23 Stunden am Tag allein in einer Zelle zu hocken – und was hilft, um die Zeit erträglicher zu gestalten.
„Aktuell bin ich im Jugendknast Schleswig in 14-tägiger Quarantäne und erlebe, was das so heißt. Hier bin ich, weil ich mich entschieden habe eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen nicht zu zahlen, nicht nur weil die Verurteilung absurd ist, sondern auch weil ich wollte, dass Knast nicht eine diffuse Angst bleibt, sondern etwas, wo ich weiß, wogegen ich Kämpfe.
Verurteilt wurde ich wegen einer Ankettaktion gegen einen Atomtransport aus dem Jahr 2014 im Hamburger Hafen – mein Tatbeitrag zu Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe war es eine Person gefüttert und ein Transparent gehalten zu haben und das ich das nicht bereut habe hat vermutlich dazu geführt, dass sie das über 3 Instanzen durchgezogen haben.
Nun bin ich hier, seid 10 Tagen. Geladen zum Haftantritt hatten sie mich in die JVA Lübeck (für Frauen), weil die Staatsanwaltschaft in Hamburg wohl nicht wusste, dass Quarantäne für Frauen und Jugendliche in Schleswig Holstein in Schleswig stattfindet, also auf meine älteren Tage, ab in den Jugendknast. Vorab hatte ich im Internet nach Regelungen zu Corona und Knast in SH recherchiert und nichts gefunden bis auf den vagen Hinweis, dass es 14 Tage Quarantäne gäbe. Infos zu Bedingungen waren auch telefonisch kaum zu erfragen. Was sich übrigens vor Ort fortsetzt: Direkt am Montag nach meiner Ankunft hier beantragte ich die Aushändigung der geltenden Quarantäne-Regelungen/ Verordnung für den Justizvollzug – heute, 8 Tage später habe ich sie weder durch die Anstalt bekommen, noch eine Entscheidung über den Antrag. Alles was es hier an Regeln gibt, wird (manchmal) mündlich mitgeteilt.
Die Quarantäne dauert 14 Tage. Da mittlerweile die Regelungen zur Einreise [Anmerkung C4F: Einreise nach Deutschland] anders sind (10 Tage und Verkürzung auf 5 Tage mit Test) hab ich mal beantragt, das zu verkürzen, was abgelehnt wurde weil „Gefangene auf begrenztem Raum mit für sie fremden Mitgefangenen zusammen leben müssen“. Was das mit der Länge der Quarantäne zu tun hat erschließt sich mir zwar nicht, aber Grund ist wohl eher, dass sie es mit Gefangenen halt machen können. Tatsächlich gibt ihnen das dumme Vollzugsgesetz auch sowieso das Recht, Gefangene in den ersten zwei Wochen komplett zu isolieren. Gesetze sind eben Teil des Problems, nicht der Lösung.
Was ich echt absurd finde ist, das wenn es tatsächlich ums Corona- Virus bekämpfen ginge, die Logik dahinter nicht zu finden ist. Ich habe hier noch keinen einzigen Corona-Test machen dürfen/ müssen. Weder vor noch nach dem Transport aus Lübeck nach Schleswig, noch überhaupt, Fieber gemessen wurde zweimal (weil das nichts kostet? ) – bei Einlieferung hier und einmal am Montag beim Arztbesuch. Und ein Drogentest wurde gemacht, scheint wohl die größere Bedrohung als Corona zu sein. Ein mir postalisch zugeschickter Schnelltest wurde natürlich beschlagnahmt.
Dann ist da noch die Sache mit den Hygiene-Bestimmungen und den Masken. Hergebracht wurde ich von Schließer*innen in Schutzanzügen (deren Kapuzen sie allerdings nicht aufsetzten) und während der Fahrt trug sie auch keine Masken. Ich bekam eine FFP-2 Maske, Anweisung hier ist die aufzusetzen, sobald wer die Zelle betritt (was gar nicht so einfach ist, weil selbstverständlich niemand vorher klopft) und wenn ich mich im Gebäude bewege (also faktisch beim Weg zum Hofgang).
Das heißt natürlich aber noch lange nicht, dass die Wachen ihre Masken tragen, tun sie wenn sie in die Zelle kommen, aber untereinander oft nicht, auch wenn sie Mindestabstand unterschreiten und auch nicht wenn ich zwischen ihnen durch muss auf dem Weg nach draußen. Aber sie Rauchen ja auch im Gebäude unten, das geht nicht mit Maske…
Meine erste neue Maske bekam ich übrigens nach einer Woche. Infektionsschutz? Yeah!
Im Erlass des Ministeriums ist es übrigens auch so geregelt, dass Schließer*innen FFP-2 Masken bekommen. Gefangene OP-Masken. Selbst da, Klassengesellschaft.
Eigentlich gibt es Wachen, die nur für Quarantäne zuständig sind. Wenn ich das richtig interpretiert habe, gibt es eine Tagschicht, die immer eine Woche da ist und dann 10 Stunden Schicht hat (also eine Woche immer die gleichen 2,3 Personen die uns einschließen). Trotzdem gibt es immer mal wieder Justiz-Leute die vorbeikommen und mit denen quatschen und das mit dem Mundschutz mal mehr, mal weniger genau nehmen.
Dann noch was zu den konkreten Haftbedingungen: Kein Aufschluss, Essen wird mit Plastik-Einwegbesteck und Tellern auf die Zelle gebracht, 3mal täglich. Einmal am Tag die Stunde Hofgang bekomm‘ ich, allerdings alleine, Isolation halt […] Ich warte also immer unwahrscheinlich lange auf die eine Stunde, in der ich mal aus der Zelle komme. Sonst gibt es ein paar Dinge, welche die Isolation abmildern, die ich ehrlicherweise auch erwähnen will: Fernseher, Radio und 99 Stunden freie Telefonie aufs Festnetz mit Telefon in der Zelle. Das mit Festnetz-Nummern zu organisieren war gar nicht so einfach aber mittlerweile ist es ziemlich gut, einfach mal 4 Stunden telefonieren zu können. So ein bisschen Vor und Nachteile hat es, dass hier nichts so richtig durchorganisiert ist. So war es z.B. relativ einfach, Zeug in die Zelle zu bekommen wie Bücher, aber auch Kuscheltier und Blumen und Nachschub an Marmelade oder Toilettenpapier ist recht einfach zu bekommen aber andererseits muss ich auch nach allem fragen, und sei es frische Unterwäsche. In Quarantäne gibt’s nämlich nur Anstaltskleidung […]. Sowas ist eben auch nervig. Privatkleidung darf ich nicht haben, weil die nach Quarantäne-Regelungen vernichtet werden müsste, wenn ich nach Lübeck komme. Die Schließer*innen tragen schließlich auch merkwürdige blaue Einmalkleidung. Wenn‘s kalt ist, ziehen sie aber auch ihre normalen Uniformjacken an und die anderen Wachen, die vorbei kommen, haben auch normale Kleidung. Alles mehr Show und Schikane als ernst gemeinter Infektionsschutz.
Nochwas nerviges ist, das Duschen in Quarantäne nicht erlaubt ist (sagen die Schließer*innen, hab ich im mir von draußen zugeschickten Erlass aber nicht gefunden). Ich habe einen Antrag gestellt, mich duschen zu lassen, vor etwa einer Woche. Keine Reaktion bisher, ich habe also beim Vollstreckungsgericht beantragt, den Knast zu verpflichten mich duschen zu lassen. Das fühlt sich ziemlich absurd an. Besuch gibt’s natürlich auch nicht.
Wenn wer hier tatsächlich Covid-19 hätte, wär das schon sehr gut möglich, dass das lange nicht bemerkt wird und sich über die Wärter*innen überträgt (wobei natürlich eh wahrscheinlicher ist, das die es reintragen). Während überall anders getestet wird ohne Ende, scheint es für Tests für Gefangene nicht zu reichen. Nur ein weiterer Beweis dafür, wie wenig die Gesellschaft das Leben von Eingesperrten schätzt. Mit „Kriminellen“ darf der Staat das eben machen. Gründlich menschenverachtend.
Hilft wohl nur: Freiheit für alle!
Ibi, Mai 2021 Jugendknast Schleswig, Quarantäneabteilung.“