Echte Briefe! Gegen das Anhalten von Post und die Weitergabe mittels Kopie

Als Gruppe sind wir in Kontakt mit Gefangenen in verschiedenen Justizvollzugsanstalten (JVAs) in Deutschland. Uns ist in den letzten Monaten vermehrt aufgefallen, dass einige JVAs die Postkarten und Briefe nicht mehr im Original, sondern nur als Kopie an die Gefangenen ausgeben, beispielweise die JVAs Vechta, Waldheim, Heimsheim, Sehnde, Uelzen und Bremen.

Die Begründung der Haftanstalten für das Anhalten von Post und die Weiterleitung mittels Kopien ist, dass Briefe und Karten in letzter Zeit mit „neuen psychogenen Stoffen“, also verflüssigten Drogen, durchtränkt worden seien, um auf diese Art Drogen in die JVA zu schmuggeln.

Wir halten diese Praxis für einen besorgniserregenden Trend und lehnen sie aus vier Gründen ab:

  1. Es ist menschlich gesehen verwerflich, den Gefangenen die Originale der in vielen Fällen liebevoll und handschriftlich geschriebenen Briefe und Karten vorzuenthalten und sie stattdessen mit sehr schlecht gemachten Kopien abzuspeisen. Das betrifft nicht nur das eigentliche Schreiben, sondern auch Fotografien von Liebsten und von Kindern gemalte Bilder.
  2. Politisch sehen wir darin eine Gängelung der Gefangenen, eine weitere Einschränkung des Kontakts zwischen drinnen und draußen und eine Einschränkung der Solidaritätsarbeit von draußen.
  3. Praktisch: Uns liegen einige von JVAs kopierte Postkarten, die uns Gefangene zugesendet haben, vor. Diese sind teils komplett unleserlich und behindern und erschweren Austausch. Es geht teilweise so weit, dass Gefangene darum bitten, keine Postkarten mehr zugesendet zu bekommen, da sie diese als Kopien nicht lesen können und das Verfassen für die Menschen draußen als Zeitverschwendung empfinden.
  4. Rechtlich scheint es komplizierter: Grundsätzlich hat das Oberlandesgericht Celle in seinem Beschluss vom 22.12.2022, Az.: 3 Ws 512/22 (StrVollz) entschieden: „Eine Anordnung, von der Eingangspost an die Untergebrachten lediglich Ablichtungen herauszugeben, erscheint auch ohne konkrete Verdachtsmomente gegen einen Untergebrachten bzw. eine umgrenzte Gruppe mittels einer Allgemeinverfügung vertretbar. Diese muss jedoch zur Verhinderung einer schwerwiegenden Gefahr erforderlich sein, der mit milderen, ggf. auch personal- und kostenintensiven Mittel, nicht begegnet werden kann und in ihrer konkreten Durchführung auf das notwendige Maß beschränkt sein. Eingriffe gegenüber Nichtstörern als Adressaten dürfen nur ausnahmsweise, als ultima ratio, erfolgen.“ Der Staat hält eine allgemeine Anordnung über das Anhalten von Post und die Weiterleitung mittels Kopie für vertretbar, allerdings muss so eine Anordnung erforderlich und maßvoll sein und darf „Nichtstörer“ nur ausnahmsweise beeinträchtigen.
    In der Logik dieses Beschlusses ließe sich in einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung argumentieren, dass die JVAs Briefe an Gefangenen stichprobenartig auf Drogen überprüfen können und dass bei bestimmten Gefangenengruppen, zum Beispiel die vielen inhaftierten Antifaschist*innen, Kurd*innen und andere, die mit Drogen nichts zu tun hatten und nicht zu tun haben, kein relevantes Risiko vorliegt.

Wir halten es daher für menschlich und politisch geboten und rechtlich nicht aussichtslos, etwas gegen die Praxis der Anstalten zu unternehmen, Briefe nur in Kopie durchzugeben. Wir möchten an dieser Stelle alle Gefangenen, ihre Angehörigen und Freund*innen, die Soligruppen und Unterstützer*innen und nicht zuletzt die Anwält*innen ermutigen, im konkreten Einzelfall gegen das Anhalten von Post und die Weitergabe mittels Kopie vorzugehen. 

Dies kann juristisch in Form von Anträgen auf gerichtliche Entscheidung (sogenannte 109er) und politisch über Veröffentlichungen und über die Thematisierung bei Aktionen und Veranstaltungen passieren.

Criminals for Freedom, Februar 2025