Update: Sie reden von Suizid, aber es war Mord – weiterer Toter durch den Knast Moabit

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Erste Informationen über den Zellenbrand und den Ermordeten vom 27.07.20.

Durch den Artikel der TAZ über den Brand und Ermordeten im Knast Moabit vom 05.08.20 wurde zunächst der Vorname des Ermordeten bekannt. Mittlerweile haben wir auch den Kontakt zu den Angehörigen, weshalb wir unter anderem ursprüngliche Informationen an dieser Stelle korrigieren wollen.

Mayouf Ferhat

Mayouf Ferhat wurde am 23.07.20 durch die Justiz ermordet. Er war, entgegen unserer ursprünglichen Veröffentlichung, nicht aus Marokko, sondern aus Algerien. „Er war Flüchtling und die meisten, die hier in Moabit sitzen, müssen leider oft ihren Namen ändern und geben generell wenig von sich Preis. Dadurch war uns nicht genau klar, wo das Brandopfer herkommt und wie er heißt. Hier im Knast hieß es zunächst von einigen, er käme aus Marokko, andere Gefangene sagten, er käme aus Algerien. Wir kannten ihn hier im Knast unter dem Namen Sami.“, so ein Gefangener aus Moabit.

Auch die Angehörigen des Ermordeten melden sich im TAZ Artikel zu Wort. Offensichtlich schenken sie der Justiz ebenso kein Vertrauen – der Bruder fordert Aufklärung und hat einen Anwalt eingeschaltet. Am 30.07.20 schrieb uns ein Gefangener: „Der Bruder von Sami war heute in der JVA Moabit und fragte, warum sein Bruder starb, er bekam nur ‚keine Ahnung, wird noch ermittelt‘ zurück.“

Wie widerlich und scheinheilig dieser Satz in Anbetracht der Tatsache, dass dem Verstorbenen trotz Hilfeschreie vom Knast nicht geholfen wurde ist, zeigt sich auch an den vergangenen Zellenrazzien aufgrund unserer Veröffentlichungen.

Am 29.07 und 05.08 wurden die Zellen von Gefangenen im Knast Moabit aufgesucht, durchwühlt und Gegenstände durch Justitknechte rein geschmuggelt, um die Repression gegen sie ausweiten zu können.

„Am 29.07.20 hatte ich zwischen 06:30 – 08:50 eine sogenannte ‚lange Sicherheitskontrolle‘. Ein Mitarbeiter der Sicherheitskontrolle kam in meine Suite und fragte nach einem Bit von einem Akuschrauber, den er vermisste – er fand aber keinen. Von 9:30 – 11:30 Uhr war die reguläre Hofpause, dann gab es Mittagessen. Nach dem Essen kam eine Schluse und ich musste meine Zelle verlassen. Die Schluse zog nach Betreten meiner Zelle die Tür so leicht hinter sich zu, dass ich nicht mehr sehen konnte, was der da drinnen macht. Nach 10 Sekunden kam er raus und sagte nix. Genug Zeit also, um etwas zu hinterlegen, was die große Sicherheitskontrolle nicht gefunden hatte. Dann die zweite Hofpause von 12.30.- 13.30 Uhr. Ich bemerkte nach meiner Rückkehr die verwurschtelte Decke auf dem Stuhl. Dann war die Kripo auf einmal im Haus und befragte zwei Insassen nach dem Toten, wobei die natürlich auch nur dem Bericht, der online ist, zustimmten. Am 31.07 kam dann eine Sozialarbeiterin zu mir und sagte, dass bei mir in der Zelle angeblich Kopfhörer und/oder eine Freisprecheinrichtung gefunden worden wäre. Ich dachte ich höre nicht richtig! Ich fragte sie, ob das am 29.07 gefunden worden sei, sie bejahte. Als ich ihr sagte, dass aber bei der Durchsuchung gesagt worden ist, dass alles ok sei und sie mir die Kopfhörer doch zeigen solle, sagte sie nur, dass sie das nicht kann. Ich bin mir sicher, dass die Justiz nur angepisst ist, weil es den detaillierten Bericht gibt, der klar wiedergibt, dass die Justiz einen Gefangenen verbrennen lassen hat.“

Am 05.08 gab es dann bei dem Gefangenen eine zweite Zellenrazzia, „Bett und Schrank waren verschoben“. Auch bei einem anderen Gefangenen, welcher die Nacht vom 23.07 zum 24.07 miterlebt hatte und bei der Kripo aussagte, wurde am 05.08 „die Zelle verwüstet. Papiere lagen verstreut auf dem Boden. Die Suite sah katastrophal aus. Er sagte der Kripo nur die Wahrheit über den Mord an Sami und bekam heute die volle Wucht zu spüren.“

In all diese Widerlichkeiten reiht sich die Tatsache ein, dass am Tag nach dem Brand, wie auch schon berichtet, die Hausarbeiter, also gefangene Arbeiter, die Rückstände vom Brand wegputzen mussten. „Die Flüssigkeit, die sie zum Putzen nahmen war rot schwarz gefärbt. Außerdem fanden sie beim Putzen restliche Körperteile, eher Fetzen, des Gefangenen“.

Dass die Justiz „keine Ahnung“ hätte, warum Mayouf Ferhat sterben musste, ist eine abartige Lüge. Sie wissen, dass sie ihn getötet haben und wollen es nun offensichtlich vertuschen und Gefangene, welche für Aufklärung sorgen, deswegen massiv einschüchtern.

Den Gefangenen ist das ebenso bewusst wie den Angehörigen – wir werden weiterhin Seite an Seite mit ihnen stehen und diesen Mord nicht unbeantwortet lassen. Weitere Infos folgen.

Werdet ebenfalls aktiv! Verantwortliche für diesen Mord, also das Knastsystem und all seine Handlanger, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Zeigt ihnen eure Wut und den Betroffenen eure Solidarität.


Update: They talk about suicide, but it was murder – another death at the jail in Moabit

First information about the fire inside the cell and the murdered fromthe 27.07.2020

Through the article in the TAZ about the fire and murder in the Moabit prison on 05.08.20, the first name of the murdered man became known. Meinwhile we have contact to the family of the murdered and want to correct some of our original information. 

Mayouf Ferhat was killed on the 23.07.2020 by the german judicial system.  He was, contrary to our original publication, not from Morocco, but from Algeria. „He was a refugee, and like most here in Moabit, he had to change his name pretty often and didn‘t talk too much about himself. That‘s why we didn‘t know where the fire victim was from ot what his name was. Here in jail some said he was from Marokko, some said he was from Algeria. In jail we knew him by the name of Sami“, says an inmate from Moabit. 

The relatives of the murdered man also speak out in the TAZ article. Apparently they do not trust the justice system either – the brother demands clarification and has called in a lawyer. On the 30.07.2020 a prisoner wrote us: „Samis brother was in the JVA Moabit today and asked why his brother died. The answer was: „we don‘t know, the investigation is still going on“. 

How disgusting and hypocritical this sentence is taking into accont the fact that the deceased was not helped by the prison despite his cries for help, can also be seen in the past cell raids due to our publications.

On 29.07 and 05.08 the cells of prisoners in Moabit Prison were searched, rummaged through and objects were smuggled in by justice servants in order to extend the repression against them. 

„On the 29.07.2020, between 06:30 and 08:30 I had a so called „long Safetycontroll“ at my cell. A worker from the safety-conroll came into my suite and asked for a bit from the drill he was missing – but didn‘t find anything. Between 09:30 and 11:30 was the regular break, then we had lunch. After lunch a Schluse [C4F: prison guard] came and I had to leave my cell. The Schluse [C4F: prison guard] closed the door a bit, so I couldn‘t see what he was doing inside. After 10 seconds he came out and said nothing. Enough time to place something that had not been found during the long safety control. Then we had out second break from 12:30 until 13:30.  On my return I noticed the muddled blanket on the chair. Then the Criminal Investigation Department was suddenly in the house and questioned two inmates about the dead man, who of course only agreed with the report that is online.  Then on 31.07 a social worker came to me and said that in my cell headphones  had allegedly been found. I thought I didn‘t understand properly! I asked if it had been found on the 29.07 and she said yes.  When I told her that after the search I had  been told  that everything was ok and that she should show me the headphones after all, she only said that she could not. Im sure they are just pissed off because there is a detailed report about how the judicial system has let burn a prisoner.“

On 05.08 there was a second cell raid at the cell of another prisoner, „bed and wardrobe had been moved“. Another prisoner, who had witnessed the night from 23.07 to 24.07 and testified to the Criminal Investigation Department, also had his cell „ravaged on 05.08. Papers where lying all over the place on the floor. The suite looked really bad. He just tole the truth to the Criminal Investigation Department about the Samis murder and had to deal with their anger.“

In addition to all these disgusting facts is the fact that on the day after the fire, as already reported, the domestic workers, i.e. captive workers, had to clean up the remains of the fire. „The liquid they used for cleaning was red and black by the end. And they found remainings from the victim as they cleaned.“

That the judiciary had „no idea“ why Mayouf Ferhat had to die is a perverse lie. They know that they killed him and now they obviously want to cover it up and massively intimidate prisoners, who want give their testimony.

The prisoners are just as aware of this as the relatives – we will continue to stand side by side with them and not leave this murder unanswered. More information will follow.

Become active as well! Those responsible for this murder, i.e. the prison system and all its henchmen, must be brought to justice. Show them your anger and solidarity with those affected.