Zwischen den Fronten – Demobericht einer Angehörigen

Eine Angehörige eines Gefangenen aus dem Knast Moabit nahm an der Demonstration „Gegen Repression, Polizeigewalt und Knast“ am 19.03.21 teil und beschreibt im Folgenden ihre Erlebnisse, Gedanken und Gefühle. Die gelebte Solidarität, welche hier beschrieben wird, ist es wert gelesen und gehört zu werden. Auf dass alle Situationen, in welchem Bullen versuchen, uns zu drangsalieren oder festzunehmen, so ablaufen!

„Am Freitag, den 19.03.21 war mal wieder Demo angesagt. Mein Mann und ich nahmen logischer Weise aus familiären Gründen wieder daran teil. Wir trafen uns mit Freunden vor Ort.

Los ging es ca. 18.10 Uhr vom U-Bahnhof Turmstr. quer durch Moabit. Wir liefen am Anfang im Block mit und waren sehr erstaunt wie lautstark, wütend (gerechte Wut) die Stimmung war. Am Straßenrand standen Anwohner und begrüßten den Demozug. Alle achteten auf den Mindestabstand und trugen Masken zum Schutz vor Corona. Es war laut, sehr laut. Einige Organisationen hielten Beiträge über den Lautsprecherwagen und alle lauschten gespannt zu, egal ob Teilnehmer oder Anwohner.

Da die Demo durch Wohngebiete verlief, wurde es an einigen Stellen sehr eng. Nachdem ich über Bordsteinkanten, Einengungsklamotten der Fahrbahn stolperte, die Begrenzungspfosten permanent übersah und meine Brille durch meine FFP2 Maske beschlug, entschieden wir uns auf dem Fußweg zu laufen. Lieber ein Hindernislauf auf dem Fußweg als noch zu stürzen. Nun hatten wir aber das Problem mit den Bullen. Permanent drängelten sie sich zwischen meinen Mann und meiner Wenigkeit. Jedesmal bekamen sie einen Anschnauzer von uns, schien denen Garnichts auszumachen. Immer wieder grätschten sie uns in unseren Abständen hinein und wirkten auf uns wie besessen. Da der Demozug ein ordentliches Tempo vorgab, hatten die Bullen mal wieder körperliche Ertüchtigung während der Dienstzeit zu absolvieren. Happy. Einige schienen es sehr nötig zu haben. Jedenfalls lief der Demozug rechts, links wieder rechts und so weiter. Wir kamen dann wieder an der Turmstr. an und bewegten uns nun Richtung JVA Moabit. Der zurzeit verfluchteste Ort unseres Lebens. Wir blieben auf dem rechten Gehweg und hatten somit freie Sicht in allen Richtungen. Vor uns, hinter uns schnieften die Bullen. Dann war mal wieder tierfreie Zone. An der Kreuzung Rathenower Str. Ecke- Alt Moabit wollte ein Demonstrant auf das Dach der Bushaltestelle, um anscheinend besser die Jungs sehen zu können. Wäre garantiert ein super tolles Foto geworden. Leider wurde er sogleich entdeckt und ein Bulle hinter uns schrie nur zu seinen Kollegen „hol den da runter, sofort“. Just in diesem Moment wurde dem Kletterer an den Beinen gezogen, ohne Rücksicht auf Verletzungen. Den Bullen war es egal,wie er unten landet. Parallel bekam mein neben mir laufender Ehegatte einen Stoß von hinten und war urplötzlich zwei Meter vor mir und konnte sich gerade noch so abfangen. Jedenfalls stürzten sich etliche Bullen auf den am Boden liegenden Mann. Ich stand da, war geschockt. Eh ihr Viecher, der liegt doch schon am Boden. Was wollt ihr noch von ihm? Schlagartig änderte sich die Stimmung und drohte zu kippen. Die Bullen waren nun zu einer Herde mutiert und deckten sich gegenseitig. Ich zog meinen vor Wut kochenden Mann aus der Herde rückwärts heraus, was mir erst beim dritten Mal gelang. Wechselbad der Gefühle in mir, mein Mann war gerettet und stand wieder neben mir. Dann kamen dem am Boden liegendem Mann sehr viele aus dem Block zur Hilfe und zogen auch ihn heraus. Das Knäuel löste sich wieder und beide Seiten standen sich gegenüber. Das ist Solidarität und Zusammenhalt, Einer für Alle und Alle für Einen. Wir waren begeistert! Nun bekamen die Typen in Uniform noch einige Ansagen, was sein muss muss sein.

Wie passend, dass die Guten links (von uns) und die Bösen rechts waren.

Nach einigen Beiträgen vorm Knast Moabit war dann auch die Demo beendet, kurz vorher zogen sich die jungen Bullen in ihre Brutkästen zurück, die mit laufenden Motoren am Straßenrand standen.“