Update 3 aus dem Knast Plötzensee

Im Folgenden ein weiterer Bericht über die aktuellen Umstände im Knast Plötzensee, u.a in Bezug auf die Corona-Pandemie. Zum Verständnis: die JVA Plötzsee ist in zwei Bereiche geteilt, ein Teil befindet sich im Wedding (hier benannt als Knast Plötzensee), in welchem Gefangene Geldstrafen absitzen. Dort ist auch die Großküche, welche für mehrere Knäste kocht und die Wäscherei, welche für mehrere Knäste und Krankenhäuser die Wäsche macht. Der zweite Teil des Knastes befindet sich im Bezirk Charlottenburg, weswegen Gefangene vom Knast Charlottenburg sprechen (trotzdem ein Gelände, ein Knast!). Hier sitzen Langzeitgefangene.

Zur Großküche, Ernährung und den vermehrten Kollektivstrafen

Im gesamten Knast läuft (externes) Personal ein und aus und im Knast umher, wie es will, ohne dabei auf Schutzmaßnahmen zu achten. In einigen Teilen des Knastes ist das besonders gefährlich, so zum Beispiel in der Großküche und der Wäscherei. Hier arbeiten Gefangene und Personal.

Das Küchenpersonal arbeitet beispielsweise ohne spezielle Schutzkleidung, weder Kittel noch Kopfschutz wird getragen, geschweige dem Desinfektionsmittel benutzt.

Nicht nur, dass das Küchenpersonal auf die Gesundheit der Gefangenen überhaupt keinen Wert legt – sie fungieren außerdem für den Knast als Hilfsschweine, indem sie für beispielsweise 40 arbeitende Gefangenen Kollektivstrafen aussprechen. Eine Form davon kann beispielsweise sein, den Gefangenen fünf Tage lang nur trockenes Brot mit Marmelade zum Essen vorzuwerfen. Angesicht der vielen entfallenen Jobs von Gefangenen durch die Corona-Pandemie und das daraus resultierende fehlenden Geld, um sich eigenständig Lebensmittel im Knast kaufen zu können, bedeutet das für viele dementsprechend eine absolut mangelhafte Ernährung. 

Wenn Gefangene versuchen, sich gegen solche Kollektivstrafen zu wehren, verlieren sie ihre Arbeit in der Küche. Vor allem Frau Schwann und Frau Pasemann finden eine enorme Freude daran, Gefangene auf diese Art und Weise zu schikanieren. 

Ohnehin ist es durch das Einsparen von Lebensmitteln und die Belieferung mit gammeligem Gemüse seit einem Jahr nicht mehr möglich, Gefangenen eine ausgewogene und gesunde Ernährung zu ermöglichen. Zu Recht fragen sich die Gefangenen allerdings, wohin die Einsparungen und damit das Geld des Knastes überhaupt fließen. 

In Plötzensee wird zweimal die Woche Suppe gekocht. Gefangene kochen für 1000 Menschen, u.a. für den Knast Plötzensee, Charlottenburg und einige Knäste außerhalb Berlins. Nach offziellen Angaben bekommen Gefangene ein Essen im Wert von 3€ pro Tag. Das wäre ein Essens-Wert von ca. 3000€ pro Tag, die in der Großküche verarbeitet werden. In der Realität werden aber Lebensmittel für nicht mal 1000€  verarbeitet. „Wohin geht also das ganze Geld?“

Auf jeden Fall nicht in die Gesundheit und Ernährung der Gefangenen. 

Verlegung von Charlottenburg nach Wedding

Jeden Morgen um sechs Uhr werden Gefangene mit Bussen von Charlottenburg nach Wedding gefahren. Jetzt sollen die Gefangenen, welche in der Küche arbeiten, komplett auf die Wedding-Seite verlegt werden – angeblich, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Die Gefangenen sprechen sich eindeutig dagegen aus, weil sie ohnehin im gleichen Haus untergebracht sind, alle die selben Duschen benutzen und den ganzen Tag in der Küche mit Personal zusammen arbeiten, welches sowieso keinen Wert auf Hygene legt und Keime durch den gesamten Knast schleppt. Die Verlegung soll aber, sollten sich Gefangene den Anweisungen widersetzen, durch Kollektivstrafen wie Einschluss und Einkommenssperre erzwungen werden.

Wäscherei

Auch hier wird natürlich nicht auf Schutzmaßnahmen geachtet. Während in der Wäscherei des Knastes u.a. Bettlaken der Krankenhäuser gewaschen werden, läuft das Personal auch hier ein und aus, wie es ihnen passt. 

 „Wir haben Angst, dass wir uns mit Corona anstecken. In der Wäscherei kommt die Wäsche aus allen Knästen und vielen Krankenhäusern an. Da wird vorher nichts desinfiziert, nur bei 60 Grad gewaschen.“ Diese Angst wird seitens des Personals oft mit  „Scheiß auf Corona“ beantwortet. 

Ein „großzügiges Geschenk“ von Telio

Der Kontakt nach außen durch die Telio-Telefonie war für Gefangene noch nie einfach. Zum einen, weil die Telio-Preise viel zu überteuert sind, als dass sich alle Gefangenen den Anruf bei Angehörigen leisten könnten, zum anderen, weil die Telefone in Plötzensee, wie schon berichtet, derzeitig defekt sind.  Besonders wütend sind die Gefangenen aber vorallem nun, weil Telio damit wirbt, aufgrund des gestrichenen Besuches „60 Freiminuten in das deutsche Telefon-Festnetz“ zu gewährleisten. 

„Viele Gefangene haben aber Familie im Ausland oder rufen auf ein Handy an, für die gelten die 60 Freiminuten also nicht! Was wir wirklich brauchen, wären Handys für die Zellen oder von mir aus auch ein gesonderter Raum unter Aufsicht, wo wir mit unseren Familien videochatten könnten. Das Angebot der JVA und Telio jedenfalls wird herzlichst wenig angenommen. Jeder Gefangene, der an dem Info-Zettel von Telio über die 60 Freiminuten vorbeiläuft, spukt drauf. Es ist ein fadenscheiniges Angebot.“

Knast macht krank….

Gefangene werden nicht auf das Corona Virus getestet oder untersucht. Dr. Henning Dannmeier, der anstaltsinterne Arzt,  hält Blutuntersuchung für nicht notwendig

Kann man den überhaupt als Arzt bezeichnen? Er kümmert  sich einen Dreck um die Gefangenen. Sie weinen und ihm ist es egal.  Es gibt auch keine richtigen orthopädischen Hilfsmittel. Gefangene mit Rückenproblemen bekommen z.B. total durchgelegene, versaute Matratzen. In der gesamten JVA gibt es nur eine Psychologin und diese ist nur halbtags da. Die Stimmung ist kurz vor der Eskalation. Die Leute halten es nicht mehr aus.“ 

Aufhaltetaktik statt offener Vollzug

Neben der aktuellen Belastungen beschweren sich immer mehr Gefangene über die Gruppenleiterinnen Kerstin Weigant und Frau Brandt. 

 „Wenn du bei denen bist, bist du verloren. Das ist die reinste Aufhaltetaktik. Eigentlich sollten wir spätestens nach 4 Monaten einen konkreten Plan über den Verlauf unserer Haftstrafe bekommen. In diesem Plan steht u.a., dass die sogenannte Straftatsauseinandersetzung mit den jeweiligen Gruppenleitern für die Entlassung oder die Verlegung in den offenen Vollzug wichtig ist. Hier passiert aber erstmal immer sechs Monate garnichts! Wenn du dann Glück hast, bekommst du nach einem halben Jahr endlich mal  einen Termin für eine Straftatauseinandersetzung, aber der offene Vollzug oder die Entlassung ist dadurch viel weiter entfernt, als es eigentlich gesetzlich geregelt ist. Plötzensee ist offiziell ein halboffener Vollzug, aber von 300 Gefangenen haben vielleicht maximal sechs einen gelockerten Vollzug.

Perspektive aus Sicht von Gefangenen

Angesicht der Situation fordern Gefangene konkrete Maßnahmen. 

Wir sind seelisch kaputt hier. Wir haben nichts, wirklich nichts! Wir sehen jeden Tag, dass die Lage draußen ernster wird. Wir können hier nichts machen, wir sind einfach isoliert. Die sollen uns endlich Lockerungen geben oder uns in den offenen Vollzug verlegen, damit wir unsere Familien sehen und unterstützen können. Unsere Familien brauchen uns. Es ist ein Notzustand und jeden Tag wird es immer schlimmer.“

Was wir hier draußen tun können, ist die Gefangenen mindestens bei ihren Forderungen zu unterstützen, indem wir uns praktisch solidarisch zeigen. Überlegt euch was, trotz Ausgangssperren!