Die vielen Berichte von Gefangenen zum Umgang mit Corona in Knästen zeigen, dass die dortigen Verhältnisse noch zugespitzer, autoritärer und diskriminierender sind als draußen – allerdings ist das nicht erst seit Corona-Zeiten der Fall, sondern war schon immer so. Die Krise macht die Tatsache, dass Knast eine faschistische autoritäre Überwachungsinstitution ist, nur deutlicher. Die folgenden Berichte von Christine Schwenke zeigen wieder einmal, wie schikanös und rigoros der Knast-Alltag auch ohne Corona aussieht und wie Menschen dadurch gänzlich beherrscht werden.
So berichtet Christine, wie am Montag, den 02. März 2020 die Kamera vor ihrem Fenster ausgewechselt wurde. „Jetzt kann man mir uneingeschränkt in den Haftraum sehen. Diese Kameras besitzen einen Zoom, sodass selbst der Kaffeestand in meiner Tasse erkennbar ist. Totale Überwachung. Ich möchte Tageslicht und nicht mit geschlossenen Gardinen leben nur um einen Funken Privatsphäre zu haben. […] Warum können Innenbereiche der inhaftierten Frauen beobachtet werden? Werden die Bilder vielleicht sogar illegal in den Netzwerken veröffentlicht? Warum wurden 360° Kameras eingebaut?“
Selbstverständlich wurden ihr diese Fragen nicht beantwortet. Dass die Körper der gefangenen Frauen und ihre Zellen vollumfassend überwacht werden, ist nicht nur ein Angriff auf die Privatsphäre (sofern es so etwas im Knast überhaupt gibt), es ist auch ein patriarchaler Angriff, nämlich auf die gesamte Sicherheit der Frauen und ihrer Körper.
Dieser wird fortgesetzt, indem ihr die Selbstbestimmung, in diesem Beispiel über ihre Versorgung, gänzlich genommen wird.
„Bereits im November 2018 stellte ich den Antrag auf Selbstverpflegung, ein Vielzahl weiterer Anträge folgte. Ebenfalls eine Erklärung wonach ich die Anstalt aus der Verpflichtung nahm mich mit Nahrung zu versorgen. Vor dem 1. Mai 2019 gingen nochmals Anträge an die JVA. Eine Antwort in schriftlicher Form erhielt ich nie. Mündlich beim Einkauf warf mir der Leiter für Arbeit und Versorgung nur ein knappes „Nein!“ zu auf meine Frage zur Klärung der Selbstverpflegung. Ab dem 1. Mai 2019 nehme ich kein JVA-Essen mehr.„
Ihre Entscheidung, Anstaltsessen nicht mehr zu sich zu nehmen, missachtet der Knast bewusst. Die Konsequenz: ihr wird trotzdem Essen zubereitet, welches dann weggeschmissen wird. In der Absurdität bestehend aus entzogener Selbstbestimmung, Missachtung von Christines Interessen (=kein Anstaltsessen) und gleichzeitiger Produktion von Selbigem zeigt der Kapitalismus mal wieder seine bekloppte Fratze. Christine ist darüber verärgert.
„Vollzugsabteilungsleiterin Simone Sch. gab die Weisung, mich bei jeder Essensausgabe zu fragen. Das komplette Essen geht somit täglich zurück an die Küche und wird dort vernichtet. (…). Hier werden total sinnlos Lebensmittel vernichtet.“
Aber nicht nur bezüglich der „Essensversorgung“ ist Christine wütend. Vor allem einschneidend für sie ist die Art und Weise, wie sie weggesperrt wird: „Warum befinde ich mich nach 4 ½ Jahren Haft noch immer auf der Durchgangsstation in reiner ‚Käfighaltung‘ ohne Beschäftigung, ohne regelmäßige Freiluftangebote (außer Sport). Warum werden Fernstudium und notwendige Materialien zur „Eigenbeschäftigung“ im Haftraum untersagt? Warum ist mir die Einbringung einer Schreibmaschine durch Dritte untersagt? Warum muss ich 6 bis 8 Monate auf eine Besuchsüberstellung zu meinem Sohn in der JVA Berlin-Tegel warten, obwohl diese alle 3 Monate vorgesehen sind? Mein letzter Besuch bei meinem Sohn in der JVA Berlin Tegel war am 06.08.2019. Die Vollzugsabteilungsleiterin Simone Sch. steht auf dem Standpunkt, dass Besuchsüberstellungen nur im Wechsel erfolgen, laut ‚eigenem JVA Luckau-Duben Gesetz‘ […] Mein Sohn hätte ca. 1 Woche Arbeits- und Studiumsausfall – ich bin Rentner in ‚Käfighaltung‘ ohne Arbeit, ohne jegliche Beschäftigung. Im Zoo weiß man wie schädlich Langeweile ist, in der JVA nicht. (…)
Nach fast 5 Jahren Haft sollen 2 Ausführungen zur Erhaltung meiner ‚Lebenstüchtigkeit außerhalb der JVA‘ [Anmerk. C4F: Zitat aus Christines Vollzugsplan] dienen. Die stellvertretende Vollzugsabteilungsleiterin Kornelia Sch. sagt: ‚Wir wollen sehen, wie sie sich draußen benehmen.‘ Ups, bin ich im falschen Film? (…)
Gravierend auch wohin die Ausführungen nur erfolgen dürfen. Also zu meinem inhaftierten Sohn schon mal verboten. Mir wurden 2 Möglichkeiten durch die Vollzugsabteilungsleiterin Simone Sch. und Stellvertreterin Kornelia Sch. eröffnet. ‚Entweder zu ihrer Tochter oder eine Stunde in ein Café in Luckau.‘ Meine Tochter brach im November 2018 den Kontakt zu mir ab – scheidet somit aus.
Malen wir uns doch mal die einzigste noch verbleibende Möglichkeit mal aus. Ich in voller JVA-Kleidung (freiwillig), dann entweder Simone Sch. oder Kornelia Sch. und ein anderer Bediensteter in Privatkleidung gehen mit mir in ein Café in Luckau. Am Tisch vor meinen beiden Bodyguards sitze ich eine Stunde bei einer Tasse Kaffee, dann geht es zurück.“
Ein „Ausflug“, bei dem Christine also weder Angehörige treffen, noch die Zeit draußen alleine ohne Staatdiener an der Backe verbringen kann, dient offensichtlich dem Zweck, sie vorzuführen, zu erniedrigen und nochmal da raufzutreten, wo Knast ohnehin jedes mal rauftritt: auf ihren Körper, ihre Seele, auf sie als gesamte Person der gefangenen Frau.
Wir geben solche Berichte aber nicht wieder, damit nun der Kopf in den Sand gesteckt und Knast als unüberwindbares Problem betrachtet wird. Christine kämpft, indem sie berichtet und veröffentlicht. Sie lässt sich die Schikanen und Angriffe nicht gefallen. Wir hier draußen können ihr bei ihrer Selbstverteidigung durch Berichterstattung insofern unterstützen, als dass wir Verantwortlichen für Knast, Patriarchat und Staat in die Mängel nehmen, uns mit Gefangenen und ihren Kämpfen praktisch solidarisch zeigen und Kämpfe verbinden, drinnen wir draußen. Zeigt ihr also, dass sie nicht allein ist.