Cem soll als Mitglied der Revolutionären Aktionszellen (RAZ) / revolutionäre Linke (RL) an der Durchführung von Aktionen gegen das Haus der Wirtschaft, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und das Amtsgericht Wedding beteiligt gewesen sein.
Damals wurde mithilfe des §129 („Bildung einer kriminellen Vereinigung“) neun Beschuldigten vorgeworfen, die RAZ und die RL gebildet und an Ausgaben der Zeitschrift „radikal“ mitgearbeitet zu haben. Dass in diesem Zusammenhang ermittelt wurde, ist seit dem 22. Mai 2013 bekannt gewesen. An diesem Tag fanden insg. 21 Hausdurchsuchungen in Berlin, Stuttgart und Magdeburg statt.
Die im September 2018 verschickte Anklageschrift an Cem richtete sich nur noch gegen ihn, Ermittlungsverfahren gegen andere Personen wurden eingestellt. Bereits eine Trennung der Ermittlungsverfahren 2016 ließ vermuten, dass eine Anklage wegen §129 nicht haltbar sein würde und so lautet nun der Vorwurf Brandstiftung in drei Fällen. Mithilfe des §129 wurde aber über einen langen Zeitraum so gut wie jegliche erreichbare Kommunikation der Verdächtigen ausgespäht, ihr Verhalten beobachtet, gefilmt und es wurde versucht, verdeckt DNA–Material zu erhalten. Damit unterscheidet sich dieser 129er wenig von vielen anderen. Der Paragraph wird dazu genutzt, mit einem extrem hohen Überwachungsaufwand Personen auszuspähen und in Strukturen zu schnüffeln, um möglichst viel über sie herauszufinden. Diese Schnüffeleien betreffen oft allumfassend das Leben der Betroffenen, deren Freund*innen und deren Umfelder. Daher stellt jedes 129er Verfahren einen Angriff auf uns alle da.
Welche Folgen diese Form der Repression haben kann, zeigt der Tod von der damals Mitbeschuldigten Alex: sie nahm sich, auch in Folge des ausgelösten massiven psychischen Druck, das Leben.
Unseres Eindrucks nach herrscht darüber kollektives Schweigen. Dieser Eindruck setzt sich in unserer Beobachtung des Nichtverhaltens unserer Strukturen, z.B. im Ausdruck der geringen Kundgebungsteilnehmer*innenzahl am 08.06.21, fort.
Deswegen stellen wir an dieser Stelle bewusst die Frage: Was braucht es für eine linke Szene, um sich solidarisch zu zeigen? Diese Frage ist tatsächlich ernst gemeint. Im Dezember 2020 veröffentlichten wir eine Kritik über den Umgang mit Repression innerhalb unserer Strukturen – an der Kritik hat sich bis heute nichts geändert.
In Anbetracht des von uns wenig wahrgenommenen Interesses für dieses Verfahren und deren Folgen, wäre es unserer Meinung nach wichtig, sich eben diese und auch viele weitere Fragen zu stellen. Nicht nur, weil wir uns auch in Zukunft mit ähnlichen Verfahren auseinandersetzen müssen. Sondern vor allem auch, weil sich der Tod von Alex nicht wiederholen darf. Dafür tragen wir alle die Verantwortung.
Redet also darüber, sprecht offen über Ängste, Sorgen, Gedanken und Emotionen innerhalb eurer vertrauten Kreise. Der offensive Angriff gegen ihre Repression beginnt mit einem offenen, ehrlichen Dialog zwischen uns und sollte in Verständnis, Unterstützung, Kritik, Austausch, Diskussionen und Solidarität münden.
Solidarität mit Cem! Solidariät mit allen 129er!
Erinnern heißt kämpfen – für Alex und alle durch Repression Ermordeteten!
Infos zum Verfahren und zum Hintergrund: http://soligruppe.no129.info
Infos zum Prozess und Prozessberichte: https://panopticon.blackblogs.org/prozess-raz-rl-radikal/