Gefangener aus Moabit: „Dieses Gefängnis gleicht einer mittelalterlichen Festungshaft“

Ein Gefangener aus Moabit hat folgende Zeilen verfasst, um sie an die Öffentlichkeit zu bringen und die Behörden damit zu konfrontieren. Wir dokumentieren sie hier teilweise:

„Seit nun mehr 3 Monaten sitze ich in der U-Haft der JVA-Moabit ein, in Ihrer Einrichtung. Dieses Gefängnis gleicht einer mittelalterlichen Festungshaft. Dafür, dass das demokratische Deutschland so um Menschenrechte besorgt ist, sind die Zustände hier, eher einer Diktatur und der damit verbundenen Herrschsucht verbunden. Das Napoleonische Gebären einiger Bediensteter vor Ort ist einer Demokratie so fern wie mein Arsch der spanischen Sonne. Regeln und Gesetzte werden hier von den Beamten missachtet und dieses Verhalten von der Leitung toleriert. Durch den ständigen Wechsel der Beamten auf den Stationen, weiß die rechte Hand nicht was die Linke getan und genehmigt hat. Anträge, die hier ein jeder stellen darf, scheinen die Beamten und ihrem ruhigen Dasein zu überfordern. Kommentare wie „Sie denken wohl, ich habe nichts anderes zu tun“, sind da noch bescheiden. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber man bittet um Reinigungsmittel oder eine Vorsprache beim Arzt, nicht um die Erfindung der elektronischen Zahnbürste. Doch wenn es um meine Gesundheit und meine Rechte geht, hört der Spaß auf. Und wenn Sie glauben, Sie können mein Schreiben ignorieren oder gar an die JVA zur Klärung zurücksenden, irren Sie sich gewaltig. Ja, ich kenne Ihre sinnfreie Vorgehensweise. Sie und der ganze Rest des Regierungsapparats tönt so gern nach Außen, in die weite Welt, wie doch die Rechte des Einzelnen in Deutschland beschützt werden. Doch die Wahrheit ist schon jedem im Land bekannt, Sie schützen nur ausgewähltes und politisch Wichtiges. (…)

Gesundheit

Corona hat die JVA-Moabit bereits vor einiger Zeit erreicht. Um uns selbstständig zu schützen und unsere Unversehrtheit selbst zu regeln, baten wir um Desinfektionsmittel und Gesichtsmasken, ganz formell und mit dem uns zur Verfügung stehenden Mitteln, „dem Antrag“. Eine Aushändigung der Schutzgegenstände erfolgte jedoch nicht. Das dazu folgende hier stattgefundene, zeigt auf, welch Unfähigkeit hier vorherrscht.

Der 15. Dezember 2020 war ein typischer Haft Tag. Ich ging zur Arbeit, die jedoch an diesem Tag von kurzer Dauer war. Plötzlich gab es einen ungewöhnlich langen Alarm, Beamte kamen und sagten zu uns, dass der Arbeitstag vorbei sei und wir in den Haftraum geführt werden. Ich fragte, warum das so sei und es wurde mir mitgeteilt, es gäbe einen Corona Vorfall. Binnen weniger Minuten befand ich mich in meiner Zelle wieder. Diese Zelle ist ein Begegnungshaftraum, den ich mit einem Häftling teile. Wir setzten uns bei Kaffee und Zigaretten zusammen und unterhielten uns. Seine Tür wurde geöffnet und ein Beamter fragte, ob mein Mithäftling duschen wolle. Er bejahte und ging. Ich fragte den Beamten, ob ich auch duschen dürfte. „Sie nicht“, war der Kommentar. Kurze Zeit später ging meine Tür auf und der Beamte fragte, ob ich informiert sei, ich verneinte. Er eröffnete mir, ich stünde eine Stunde unter Isolationshaft und dürfte weder duschen noch Freistunde und würde zeitnah auf Corona getestet werden. Dann, ca. 1 Stunde später wurde die Isolationshaft aufgehoben. Mein Mithäftling war in diesem Zeitrahmen mit mir weiterhin auf der Zelle. Welch einen Sinn hat eine halbherzige und halbseitige Isolation auf einer Begegnungszelle? Soll das der Schutz vor dem Virus sein? Ich mag inhaftiert sein, aber ich bin nicht schwachsinnig oder gar verblödet. Des Weiteren lasse ich mich auch nicht von Ihnen für dumm verkaufen. Es geht um meine Gesundheit. Sie mögen mit der Ihren umgehen, wie Sie wollen, das ist mir tatsächlich egal. Aber spielen Sie mit meiner, werde ich ungehalten.

Die von Ihnen hoch gepriesene Mitwirkungspflicht der Beamten und Bediensteten ist eine Verspottung sonders gleichen. Was nutzen diese Versprechen, wenn jeder Beamte diese je nach vorhandenem Verständnis interpretiert. So tragen einige der Beamten nur halb die Schutzmasken, andere gar nicht. Sie sind eine mitwirkende Einrichtung des Staates. Sie fordern und verhängen Gesetze, verfolgen diese mit Anzeigen und bestrafen mit Geldbußen. Doch Ihre eigenen Beamten verstoßen regelmäßig dagegen. Wenn es um Ihre eigene Gesundheit ginge, würden Sie sich freiwillig einer solchen Gefahr aussetzten oder gar Ihre Liebsten? Wo ist Ihr Anstand? Wir mögen Häftlinge sein, aber auch wir haben Rechte und sogar Familie.

Persönliche Gesundheit

Ich bin seit 3 Monaten inhaftiert. Bei meiner Verhaftung wurde mir eine Rippe gebrochen und ich habe einen Bruch im Arm. Bis zum heutigen Tag habe ich diesbezüglich keine Behandlung erhalten, Schmerzmedikation ausgenommen. Diese erhielt ich von einem Allgemeinmediziner. Trotz mehrfacher Bitte habe ich bis heute noch keinen Chirurgen zu Gesicht bekommen. Wir reden hier von Knochenbrüchen, nicht von Schnupfen oder einer Beule. (…)

Hinzu kommt folgendes, ich habe Klaustrophobie und erhalte dafür Psychopharmaka. Diese verträgt sich jedoch mit der Schmerzmedikation nicht. Die Psychologin der Anstalt sagte mir, dass ich die Schmerzmittel weglassen sollte. Würden Sie solchen Ärzten Ihr Vertrauen schenken? Ich definitiv nicht.

Antragstellungen verschiedener Art

Jedem Gefangen steht es frei Anträge zu diversen Dingen abzugeben, z.B. für Reinigungsmittel, Arztvorsprachen oder ähnliches. Auch darf man Genehmigungen erbitten ums sich z.B. CDs oder Bücher in die JVA-Moabit einschicken zu lassen. Beschränkt ist dies auf wenige Versandhändler. Dies tat ich und hielt mich dabei an vorgegebene Regeln. Stellen Sie sich meine Verwunderung vor, als ich erfuhr, dass trotz Genehmigungen, meine Pakete bei der Postannahmestelle verweigert und zurück an den Händler gesendet wurden; und dies Mehrfach. Der finanzielle Schaden für Angehörige, die einem versuchen beizustehen, wird natürlich weder von der Anstalt noch von Ihnen ersetzt. Es werden wenige Dinge gestattet. Wenn es jedoch Einbringungen gibt, werden diese von Beamten aus Faulheit oder mangelndem Wissen zum Nachteil der Gefangenen bearbeitet. Dies liegt auch daran, dass einige Beamte vor Ort schlichtweg überarbeitet sind. Vielleicht liegt es an ungenügender Ausbildung oder beschränktem Verstand. Ich denke doch das Ihnen daran gelegen ist, Ruhe in Ihren Einrichtungen zu haben. Mit Verlaub, so wird das nichts. Die Unfähigkeit Ihrer Beamten führt zu heftigen Stimmungen der Gefangenen. Kontroverse sind immer öfter an der Tagesordnung. Da ca. 70% Ihrer Beamten noch nie von Deeskalation gehört haben, führt dies zu Aufbegehren und Alarmen in der Anstalt. Sollte dies jedoch in Ihrer Absicht liegen, dann Bravo. Ich sage es frei heraus, der größte Teil Ihrer Beamten ist unfähig und leidet an Unlust. Dies muss früher oder später zu unschönen Auseinandersetzungen führen.

Telefonkosten, Einkaufskosten

Die Telefonkosten über die Firma Telio sind der reinste Raub. Ich bitte dies von Ihrer Seite zu überprüfen. Die Höhe der Minuten-Preise ist der heutigen Zeit anzupassen. Selbstverständlich sind wir froh, dass uns die Möglichkeit des telefonieren zur Verfügung gestellt wird, jedoch sind die Preise nicht nachvollziehbar. Es ist eine arge Belastung für die Personen, die uns finanziell von außen unterstützen. Trotz meiner Arbeit hier, ist es mir nicht möglich, die Kosten allein zu Stämmen. Dadurch das die Preise im Einkauf ebenfalls sehr hoch sind, ist es nicht möglich, vernünftig zu Haushalten. Die angebotenen elektronischen Geräte sind veraltet und dennoch zahlen wir einen horrenden Preis.“

Das Knast System war schon immer scheiße, seit der Pandemie erreichen uns aber immer mehr Briefe, in welchen sich die Gefangenen über ihre Haftbedingungen beschweren. Das ist kein Zufall, sondern liegt an einer, vor allem in Pandemie Zeiten, sich immer rasanter entwickelten autoritären Politik und Praxis unter den Staatsdienern, welche auch Gefangene zu spüren bekommen. Zeigt euch deswegen vorallem in diesen Zeiten weiterhin solidarisch mit ihnen! Möglich ist das zum Beispiel auf der Demonstration am 23.01.21 vor dem Knast Moabit! Hin da!